Freitag, 4. Februar 2011
Die Wahrheit triumphiert nie... Ein Besuch in Monte Verde
Heute bin ich mit Arvid allein unterwegs, weil Rüdiger bereits seine Heimreise angetreten hat. Unser erstes Ziel ist der "Grünberg", eine höchst interessante archäologische Ausgrabungsstätte, von der außer ein paar Hinweistafeln leider nichts mehr zu sehen ist. Monte Verde liegt in ca.
20 km Entfernung von Puerto Montt in etwa westsüdwestlicher Richtung am Chinchinhuapi-Fluss. Die Hintergrundinformation über diesen in Archäologenkreisen weltberühmten Ort ist typisch für den Fortgang in der Wissenschaft. Bereits Max Planck bemerkte einmal:
Die Wahrheit triumphiert nie, ihre Gegner sterben nur aus.
Monte Verde ist ein Ort, für den dieses Zitat vielleicht einmal schlagend werden könnte. Die gängige Theorie der Besiedlung Amerikas ist vielfach noch immer die Clovis-Theorie. In der Nähe der Stadt Clovis in Neu Mexico wurden 1932 zahlreiche archäologische Funde ans Tageslicht befördert, die folgende Besiedlungsgeschichte nahe
legten: Die ersten Amerikaner seien die "Clovis-Menschen", die über die vor
10.000 bis 13.200 Jahren trockene Beringstraße aus Asien kamen und sich im Raum um Clovis ansiedelten.
Seit dem Schmelzen der Gletscher etwa um 10.000 BP (=Before Present)
ist die Meerenge überflutet und damit Amerika von Asien getrennt. Mittlerweile gibt es mehrfach Hinweise, dass Menschen aus dem heutigen Japan, China und Südostasien schon wesentlich früher den Weg über das Meer nach Südamerika gefunden haben könnten. Mario Pino von der Universidad Austral de Chile
und Tom Dillehay von der University of Kentucky begannen 1977 mit Ausgrabungen und veröffentlichen 1986/88 ihre Ergebnisse. Insbesondere nehmen sie eine erste Besiedlung Amerikas bei Monte Verde um
30.000 BP an. Die gängige Lehre lehnte aber noch lange eine Besiedlung vom Meer her ab. Vor wenigen Jahren verfolgte nun auch der Berliner Paläobiologe Frank
Riedel von der Freien Universität Berlin Dillehays These. Auf dem Sender Phoenix lief im Juni 2010 zu diesem Thema eine Dokumentation von
Riedel: "Das Rätsel der ersten Amerikaner". Auf folgender Internetseite ist eine kurze Inhaltsangabe dieser Sendung:
http://greyhunter.blog.de/2010/06/07/tv-heisse-spur-monte-verde-raetsel-ersten-amerikaner-phoenix-do-10-06-10-20-15-uhr-fr-11-06-10-18-30-uhr-8752077/
Ein endgültiges Ergebnis steht noch aus, zumal die Clovis-Lobby so gut wie gar nicht in Monte Verde geforscht hat. Eine Annäherung der beiden Standpunkte zeichnet sich insofern ab, als 1997 die American National Geographic Society den Dillehey-Kritikern eine Monte Verde Excursion finanzierte. Seither gilt die Clovis-First-Theorie weitgehend als überholt. Dass Südamerika ausschließlich über den Landweg besiedelt wurde nehmen aber immer noch sendungsbewußte fanatische Wissenschaftler an. Aufschluss über den tatsächlichen Hergang könnte die Unterwasserarchäologie an der Westküste Amerikas liefern. Auch hier gibt es bereits interessante Ansätze. Bis zur restlosen Aufklärung wird es aber wohl noch ein Weilchen dauern!
Die Lage von Monte Verde (Wikimapia):
http://wikimapia.org/#lat=-41.5036279&lon=-73.2057238&z=16&l=0&m=b&tag=44605
Die Abgeschiedenheit in 20 km Entfernung von einer Stadt mit 175000 Einwohnern ist erstaunlich. Die Stromversorgung erfolgt mit Einphasenstrom.
Bevorzugte Zugmaschinen sind Ochsen!
Gespanne dieser Art trifft man auch |
Stromversorgung mit nur einer Phase |
Unsere Fahrt führt weiter ein Stück abwärts entlang des Rio Chinchinhuapi und auf einem kleinen Umweg zu seiner Einmündung in den
Rio Maullin, der den Lago Llanquihue, den zweitgrößten See Chiles zum Pazifik entwässert. Der Fluss gilt als sehr gutes Fischwasser, was sich durch mehrere Boote mit Fliegenfischern bemerken lässt. "Flyfishing" ist übrigens ein chilenischer Fremdenverkehrszweig in mehreren Regionen, bei dem man stattliche Summen für ein paar Tage für dieses exklusive Vergnügen auslegen kann!
Wir fahren weiter nach Carelmapu, einem Fischerdorf am Canal de Chacao. Diese Meerenge von ca. 5 km Breite trennt Chile von seiner größten Insel Chiloé (180 km lang, 50 km breit, 9500 km², 150.000 Einwohner). Die Einwohner Carelmapus bestreiten ihren Lebensunterhalt hautsächlich durch Fischen bzw. Tauchen nach Seeigeln und Piure.. Je nach Jahreszeit werden die verschiedenen Meeresfrüchte geerntet, an Ort und Stelle verkauft und mit Kühllastwagen abtransportiert. Die Arbeitsbedingungen der Taucher sind schlecht, nicht ungefährlich und unterbezahlt.
Die gelben Baumarktschläuche versorgen den Taucher mit Luft |
Kompressor Seeigeltaucher |
"Kapitän" eines Fangschiffes |
Von Carelmapu - auf der Karte der südwestlichste Punkt - fahren wir nach Maullin mit einem anheimelnden örtlichen Bestattungsinstitut. Der wahre Grund des Abstechers war Treibstoffmangel! Von dort weg führt unsere Route (blau)
100 km zurück nach Puerto Varas. Auch dieser vorletzte Tag in Chile hat mich beeindruckt, weil die Ziele Monte Verde und Carelmapu EINMALIG waren. Mit etwas Wehmut lege ich mich zum
vorletzten Mal auf der Südhalbkugel zu Bett und nehme mir fest vor, wiederzukommen. Schließlich haben wir ja auch von den Calafate- bzw. Michaybeeren genascht. In Patagonien sagt man: Wer von diesen Beeren isst, kommt wieder hierher zurück. Calafate-
oder Michaybeeren sind die Früchte chilenischer Berberitzengewächse.
Die Gemeinsamkeit: Stacheln.
Der Unterschied: die Farbe der Früchte - meist blau.
Fünf der sechs verschiedenen chilenischen Berberitzenarten haben blaue Früchte. |
Die heimische Berberitze - auch Sauerdorn genannt - hat rote Früchte. |
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© Text + Fotos: Arvid Puschnig, Puerto Varas, Wolfgang Raab, Bad Ischl, Austria Web: Arvid Puschnig, Hosteria Outsider, Puerto Varas, Chile Tel.+56 (0)65 2231056