IF YOU SEE A PUMA... Mit dem Pick-Up im November 2007 durch Patagonien Ein Bericht von Dr. Franz + Frida Steuer |
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Bericht |
Reisebericht
Planung |
Abreise nach Chile |
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Landung in Santiago | ||
Ankunft in Pto. Varas | ||
Ein bisschen in der Welt umgesehen haben wir uns schon, in früheren Jahren, meine Frau Frida
und ich. Allerdings war Südamerika noch nie dabei. Dies lag vor allem an
mangelnden Spanischkenntnissen, zum Teil auch an meiner politischen 68er-Vergangenheit,
die ein etwas durchwachsenes Verhältnis zu Chile hinterlassen hatte. Aber im
Jahre 2007 wollten plötzlich unsere mittlerweile großen Buben nach
Lateinamerika, der eine für den ersten Abschnitt der geplanten Abi-Weltreise,
der andere zum Studium der Kulturgeographie nach La Paz.
Das Töchterlein war eh zu einem halben Jahr Schüleraustausch in St. Petersburg.
Also beschlossen die Eltern, auch mal wieder auf Tour zu gehen, und
kurzentschlossen (dh. Mittte Oktober!) versuchte man noch, eine Reise nach Südamerika
zu organisieren.
Da man zwischen dem 15.10., Planungsbeginn, und dem 26.10., Abflug, nicht
mehr gar so viel Spanisch lernen kann, vor allem wenn man im derzeit chaotischen
deutschen Gesundheitssystem eine große Landpraxis versorgen und für 4 Wochen
Vertretung organisieren muss, ging das große Bibbern an. Waren wir vor 20
Jahren noch ziemlich sorglos ohne Zielquartier nach Nepal geflogen, so war das
jetzt mit Chile, welches wir wegen seiner interessanten Landschaften als Anlaufziel ausgewählt hatten, nicht
mehr so ganz leicht. Denn weder mit Deutsch (geht manchmal!), noch mit Englisch,
wie in Nepal und sonst fast überall, oder Französisch kommt man da sehr viel
weiter. So versuchten wir, wenigstens einen festen Ankunftspunkt für die ersten
Tage zu finden, und - oh Wunder! Internet macht´s möglich - nach
Durchblättern diverser Seiten von Hostels, organisierten Reisen, Mietwagen,
Busunternehmen, Hotels aller Preislagen, Kreuzfahrtschiffen u.a.m. blieben wir
auf der Seite der Hosteria
Outsider und damit bei Arvid hängen, noch nicht ahnend, daß wir damit
einen echten Glücksgriff getan hatten.
Wie sich im Verlauf der Reise zeigte, hatten wir nicht nur den Ankunftspunkt,
sondern auch gleich noch die Reiseführung, Reiseroute und Fortbewegung nebst
Unterkunft gefunden.
Zwar waren sowohl Fortbewegung als auch unsere Unterkünfte in Patagonien nicht
immer ganz unproblematisch ( hihihi) , aber 4 Wochen in der Pampa - halt! nein,
in Patagonien ( wie wir mittlerweise wissen, ist La Pampa eine
argentinische Provinz und nicht nur eine deutsche Beschreibung für das
Nirgendwo) - können ja nicht ganz ohne ein paar Problemchen sein. Wär' ja
gradezu langweilig.
Also hatten wir mit Arvid und seiner Hosteria unseren Ankunftsanker in Chile bzw.
Südamerika gefunden und konnten nun starten. Das sehr kompetente Reisebüro von
Hans ......, mit dem schon unsere Jungs geflogen waren, hatte es tatsächlich
noch geschafft, uns einen halbwegs bezahlbaren Flug zu organisieren. Warum
wir, um mit der Swiss von Zürich zu fliegen, was von uns aus in einer guten
Stunde zu erreichen ist, erst noch nach München und von dort dann mit
Zwischenstopp in Zürich nach Santiago de Chile starten mussten, haben wir
allerdings trotz wortreicher Erklärungsversuche seitens Lufthansa und Swiss Air
nicht wirklich kapiert.
Aber egal, es ging über die Wolken, und dann über das wolkenlose Südamerika,
wo die Sicht aus der Luft auf die im Südfrühling (Oktober 2007) noch
verschneiten Anden so toll war, dass der Pilot mit Genehmigung aus Santiago!!
extra tiefergehen und eine Showrunde um den Aconcaguagipfel fliegen konnte.
Sehr beeindruckend!
Landung in Santiago
Landung in Santiago, wie erwartet, staubig und heiß, Busfahrt
zum Busbahnhof, wo wir uns trotz lauter spanischer Anzeigentafeln, -dem Großen
Latinum sei´s gedankt!- recht gut zurechtfanden.
Bis zur Abfahrt des Nachtbusses am Abend blieben noch etliche Stunden, so
hat´s doch noch für eine Stadtbesichtigung mit der U-Bahn gereicht.
Eindrucksvoll:
Die riesige Plaza de Armas (Wie wir später erfuhren, gibt´s das in Südamerika
in jedem Ort, auch noch im letzten Bergdorf),
die original aus dem viktorianischen England importierten Markthallen, wo wir
zum ersten Mal von einem deutschsprechenden Chilenen überschwenglich
bewillkommnet wurden und die Beliebtheit deutscher Kultur in Chile erfuhren, (Kunststück! Mindestens die halbe Oberschicht
hat deutsche Vorfahren.)
die totale Überwachung durch die allerdings immer freundliche und hilfsbereite
Polizei, (Chile ist das einzige Land in SA, wo Fußgänger bei Rot an der
Ampel und Autos am Zebrastreifen stehen bleiben: Vorsicht beim Überschreiten
der Grenze nach z.B. Argentinien! Da geht´s dann anders zur Sache. Die Autos
sind alle jährlich beim TÜV, Diebstähle an Urlaubern gibt's
wahrscheinlich weniger als in Deutschland.)
die an unserem Besuch gerade durch die ganze Stadt ziehenden Hare-Krishna-People, (in Deutschland längst aus dem Straßenbild verschwunden,
aber in SA noch vielerorts sehr aktiv)
die 40-Grad-Nachmittagstemperatur, die uns nach kühlem deutschen Oktober und
vor den 1000 km weiter südlichen kühl-feuchten Valdivianischen Regenwäldern
und Küstennebel in Puerto Montt/Puerto Varas zu allen Erfrischungen auf der
Straße greifen ließen.
Unser Bus ging am Abend ziemlich pünktlich ab. War ja Chile, pünktlich
wie in Großbritannien! Leider kam er auch pünktlich erst 5 Minuten vor
Abfahrt, und wir, eine Stunde zu früh am Busbahnhof, sahen mit leichter Panik,
wie ständig Busse kamen und in alle Richtungen abfuhren, auch nach Pto. Montt!!!
Nur unserer kam scheinbar nicht. Große Erleichterung, als er endlich in
seinen Halteplatz einbog.
Was wir dabei mitbekamen: Chile ist das absolute Land des Busreisens!
Wahrscheinlich fahren jeden Tag 10.000 Busse in jeden Ort dieses ewig langen (über
4000 km) aber mini-schmalen Landes.
Wir jedenfalls hatten unseren Bus mit den vorgebuchten Schlafsesseln. (Full cama
- unbedingt zu empfehlen!) Selbst bei meinen 185 cm konnte ich mich voll
ausstrecken, was auf der Rückreise im Semi cama nur noch sehr bedingt möglich
war. Mit lunch + desayuno, super, trotz der zwei amerikanischen 3rd Class-Filme,
die mit spanischen Untertiteln direkt über unseren Köpfen flimmerten. Aber um
Mitternacht war Schluss, dunkel, Tiefschlaf, bis wir am nächsten Morgen
rechtzeitig vor PuertoVaras geweckt wurden und uns in der sehr sauberen
Waschzelle noch frisch machen konnten.
Dann ging's von der Autobahn hinab, am in der Morgendämmerung
daliegenden Lago Llanquihue entlang zur Pullman
Busstation. Den Volcano Osorno
sahen wir noch nicht, auch nicht die nächsten drei Tage, denn es waren meist
dicke Wolken davor.
Großer Schreck! Waren wir bei 40 Grad und strahlender Abendsonne in
Santiago eingestiegen, so stiegen wir jetzt bei höchstens 10 Grad und
Nieselregen am Morgen in Puerto Varas aus.
Von wegen "Stadt der Rosen"! Zu diesem Zeitpunkt eher Stätte
des Fröstelns.
Zum Glück ist Arvids Hosteria
Outsider nur ein paar Schritte vom Pullman-Terminal entfernt, und das
himmelblaue Haus ist so gut zu finden, dass wir in wenigen Minuten unsere
schweren Gepäckstücke im "Foyer" der Hosteria vor dem zu dieser frühen
Morgenstunde noch geschlossenen integrierten Reise- und Autovermietungsbüro
ablegten und die Treppe zum "Gästetrakt" emporstiegen. Dort wurden
wir gleich mit einer Tasse Tee und ein paar Broten begrüßt, die die Perle des
Hauses, Maria Teresa, schon bereitet hatte, und wir lernten Arvid kennen.
Arvid ist ein lustiger Vogel, den man am Anfang leicht unterschätzt, um bald zu
merken, wie viel hinter
dem weißen Bart steckt.
Aussteiger? - Seit 4 Jahren Hosteriabesitzer in Puerto Varas, vorher wohl
irgendwie mit astronomischen Messungen in der Atacama beschäftigt, in einem früheren
Leben Computer-Haus-Besitzer in Österreich,
was man daran merkt, dass er in jedem Zimmer einen PC mit Internet hat und
selbst bis 3 Uhr morgens
im Netz unterwegs ist.
Softdrink-Fan? - In den 4 Wochen gemeinsamer Tour habe ich ihn nur einmal ein
Bier trinken sehen, während wir die diversen südamerikanischen Biere und Weine
in größeren Mengen "versuchten".
Reiseführer? Jedenfalls nimmt er jede Gelegenheit war, um mit seiner Camioneta
und ein paar seiner Hosteriagäste auszureißen und den Hosteriabetrieb seiner
Perle und den Jungs vom Reisebüro zu übertragen.
Langstrecken-Autofahrer? Während uns in der Pampa Patagoniens oft die Augen in
der Camioneta tief hingen, fuhr er stundenlang unbeirrt z.T. bis tief in die
Nacht ( dazu später!) Bei Wanderungen bergauf wie bergab auch zu Fuß mit
einem konstanten Dauertempo, dass wir auch Gas geben mussten, um nicht zurückzufallen.
Er war ja auch mal beim österreichischen Power-Bergsteigen mit Nachtanstiegen
und Langstrecken-Bergsteigen. 200.000 Höhenmeter in 1 Jahr, und wenn an
Sylvester noch 1000 Hm fehlen, rennt man halt vor dem Feuerwerk noch mal schnell
auf einen 1000m-Berg.
Rundfahrt um den Reloncaví-Fjord
Jedenfalls hatten wir kaum unser Zimmer bezogen, ging die erste Tour schon los.
Rundfahrt Puerto Montt, Reloncavi Fjord mit Fährüberquerung, Cochamó und am
Lago Llanquihue entlang zurück. Zwischendurch Wanderung im Alerce-Andino-Nationalpark.
Trotz Regen war´s eine wunderschöne Tour, um sich an das südliche Chile zu
gewöhnen, das ja mehr mit Norwegen zu tun hat als mit der Copacabana oder dem
Amazonas-Regenwald.
Die ersten Meter der berühmten Carretera
Austral, der chilenischen Südstraße,
die solange nach Süden gebaut wurde, bis es vor Fjorden, Gletschern und Bergen
wirklich nicht mehr weiterging, gehörten zu der Tour ebenso wie die erstaunlich
vielen Lachsfarmen in den Fjorden und die Lachs-Aquariums-Laster auf den Straßen.
Chile nützt seine lange Küste, um mittlerweile der größte Lachs-Produzent
der Welt zu sein (vor Norwegen und Kanada), und die Lachse werden unter
Imitation ihres natürlichen Lebenszyklus ständig zwischen Süß- und
Salzwasserfarmen hin und her gefahren.
Im Alerce-Andino-Nationalpark sahen wir erstmals noch Reste des ursprünglichen
Valdivianischen Regenwaldes mit teils geheimnisvoll-düsteren Dschungelwegen,
teils glitschig-ausgesetzten
Bergpfaden über rauschenden Wasserfällen. Ein solcher setzte unserem Vorwärtsstreben
dann auch ein Ende, weil er, durch die Regenfälle angeschwollen, in so starkem
Strom den Weg überspülte und daneben in den Abgrund versprühte, daß uns
unser Mut zum Queren im Stich ließ und wir den geordneten Rückzug antraten.
Auf der weiteren Fahrt dann blühender Ginster ( Richtig! Hier is ja Frühling!),
ein wunderschön golden strahlender Anblick, aber eigentlich ein wucherndes
Unkraut, eine Fremdpflanze aus der Alten Welt, von Siedlern mitgebracht, die
jetzt die einheimischen Gewächse verdrängt.
Die Rückfahrt dann, an den Vulkanen Osorno und Calbuco vorbei (beide tief in
den Wolken) und am Ufer des Lago Llanquihue entlang, der mehr als anderthalbmal
so groß und dreimal so tief wie der Bodensee ist. Nicht ein einziges
Schifflein drauf! Die christliche Seefahrt wurde hier nie eingeführt oder
schnell wieder aufgegeben, und außerhalb der Ferienmonate gibt´s wohl auch
keine Freizeitboote.
Am Abend, "zu Hause", leicht erschöpft und etwas feucht, holten wir
dann auf Arvids Rat etwas zum Abendessen, was uns in den Tagen in Puerto Varas
beinahe zum Grundnahrungsmittel werden sollte:
Eine Pichanga, eine große Aluschale voll mit Papas frites, Wurst- und Fleischstücken,
Käsetoastecken, sauren Gurken, Tomaten, Oliven und allerhand mehr. Früher wohl
so eine Art Resteverwertung, ist es jetzt ein beliebtes, gehaltvolles Essen, das
man heiß in einem Restaurant holt. ( "Para llevar", haben wir gleich
gelernt, "zum Mitnehmen".) In unserem Fall war's eigentlich eine
Konditorei, wo es allerlei "Kuchenes" und "Tortas", also
Kuchen und Torten in bester deutsch-österreichischer Tradition gab. Trotz der
vielen süßen Leckereien war die deftige Pichanga dort die allerbeste von allen
Pichangas, die wir gegessen haben.
Petrohué und Lago Todos Los Santos
Die Seestraße fuhren wir am nächsten Morgen nach solidem Frühstück wieder
zurück Richtung Vulkan Osorno und dann am wieder verhüllten Berg südlich
vorbei in das Tal des Río
Petrohué.
Die dortigen Wasserfälle, die Saltos de
Petrohué, sind weltberühmt und
wirklich eindrucksvoll. Da hatte sogar der Regen sein Gutes. Es rauschte, toste,
gischtete und sprühte nur so, wenn sich die Wassermassen durch die Felsenenge
zwängten und in die Tiefe stürzten.
Der Rio Petrohué gilt als exzellenter Raftingfluss, aber - bitteschön - erst
unterhalb der Fälle.
Weiter talaufwärts, schon fast hinter dem Osorno, weitet sich das Tal plötzlich
und man sieht den idyllisch- dramatisch zwischen den Bergen gelegenen Allerheiligen-See,
Lago Todos Los Santos, so genannt, weil er an Allerheiligen
1670 von die Berge überquerenden Jesuitenmönchen entdeckt wurde. Umgeben von
schwarzen Vulkansandstränden, aus denen bizarr die Bäume hervorstehen, stellt
er den Anfang der "Cruce-de- Lagos-Tour" dar, der ersten und
heute noch lebhaft betriebenen Touristen-Kutschierstrecke Südamerikas. Hier
besteigt man ein Fährschiff über den See, um am anderen Ende in Busse verladen
und zum nächsten See gebracht zu werden, bis man nach mehreren Umladeaktionen
Schiff-Bus-Schiff und Überqueren der chilenisch-argentinischen Grenze, dann mit
dem Katamaran in Puerto Pañuelo abgegeben und dort wieder in einen Bus geladen
wird, der einen dann nach Bariloche ins Hotel bringt.
Was früher vor hundert Jahren sicher höchst spannend und abenteuerlich
war, ist aber heute mehr ein gehetzter Tourinepp, mit 175 USD pro Person für
eine Strecke völlig überteuert!
Osorno zum Ersten
Da der Tag noch recht jung war, ging´s zurück auf der Straße nach Ensenada
und von dort zur Laguna
Verde, einer milchig-grünen kleinen Seitenbucht
des riesigen Lago Llanquihue. Die Färbung soll von irgendwelchen Mikroalgen im
Wasser herkommen, sieht aber aus, als habe die Riesenfrau vom Herrn Osorno nach
Waschen eines grünen Kleides ihren Waschzuber mit milchig-grüner Seifenlauge
in den See gekippt. Ist ja alles Natur, sieht aber echt aus wie ein Fall von
grandioser Gewässerverschmutzung.
Da sich die Wolken hoben, ging's mit der Camioneta anschließend noch in die Höhe,
zum Bergsteiger-Basislager und Skizentrum am Osorno auf ca. 1200m Höhe.
Schließlich wollten wir dem Herrn Vulkan doch noch einen Besuch abstatten, womöglich
aufs Haupt treten.
Sieht ja irgend wie ganz gemächlich aus, der weiße, sanft (Hihi!) ansteigende
Vulkanhügel über dem See. Wir hatten den Berg bisher nur auf Postkarten
gesehen, (Standard: Der strahlend weiße Vulkan vor blauem Himmel über dem
Lago), aber uns irgendwie nicht klar gemacht, dass bei einer Ausgangshöhe von
65 m und einer Gipfelhöhe von 2.652m schlanke 2,5 Höhenkilometer zu bwältigen
sind, bzw. vom Skizentrum noch immer 1.400m. Wir parkten also am um diese
Jahreszeit verwaisten Skizentrum, stiegen aus und genossen gleichzeitig den
Wahnsinnsblick über den in der Tiefe schimmernden riesengroßen Lago Llanquihue
und den beißend scharfen Eiswind auf der ungeschützten Schneeflanke des
Berges. Eingemümmelt in unsere zum Glück guten Bergjacken hieß es nun "Nichts
wie los", bevor wir erfrieren, und auf ging´s die "sanfte"
Bergflanke hinan.
Weder war die Flanke sanft, sondern ganz schön atemberaubend steil, noch der
Berg ein glatter Kegel, sondern aus der Nähe mit Furchen, Riefen, verschneiten
Schluchten und Lavahalden gespickt, noch war nach ein paar hundert Höhenmetern
noch irgendwas zu sehen oder zu hören. Wir stiegen im weißen Schnee bergan,
umgeben von einer weißen
Wolke, die jedes Geräusch und bald jede Orientierung
schluckte. Dazu pfiff der Wind immer stärker und kälter, je höher wir kamen,
und irgendwann war klar:
Nichts wie runter, solange wir wenigstens noch Reste unserer eigenen Spuren
erkennen konnten! Es wurde ein Wettlauf mit der Zeit, dem Wind und dem
mittlerweile einsetzenden Schneefall. Waren unsere
Stapfen am Anfang noch gut zu sehen, so waren sie bald nur noch unter dem Schnee
zu ahnen, und irgendwann gar nicht mehr zu entdecken, sodass wir ohne
Anhaltspunkt in der pfeifenden weißen Hölle nur noch nach unten strebten, aber
nur noch Schritt um Schritt, um nicht in einen verschneiten Lavagraben abzustürzen.
Wir waren heilfroh, als wir unten aus der Schneewolke herauskamen und sahen, dass
wir tatsächlich die Richtung zum Parkplatz eingehalten hatten. Es hätte
niemanden gewundert, wenn wir auf der anderen Osornoseite herausgekommen wären.
Wieder kamen wir nass und müde zu Hause an. Zum Glück fuhr der gegen Abend
immer munterer werdende Arvid. Diesmal gab's keine Pichanga, sondern Steaks bei
Oscar, der das Restaurant in Arvids Hosteria betreibt. Auch sehr gut, aber eine
Pichanga bleibt halt eine Pichanga!
Osorno zum Zweiten
Arvids unermüdliches Bemühen, uns die Schönheit seiner Wahlheimat
nahezubringen, führte am nächsten Tag zu einer neuen Erkundungsfahrt. Diesmal
sollte es nördlich um den Lago Llanquihue herum gehen, in die zentralen
deutschen Siedlungsgebiete der 1850er-Auswanderungen.
Die damals wegen ihres Fleißes, ihrer Genügsamkeit und Zuverlässigkeit
angeworbenen deutschen Siedler
fanden ein weitgehend unberührtes Land, das nur wenige Jahrzehnte zuvor von der
chilenischen Armee unter General O`Higgins den bis dahin weder von den
Inkas noch den Spaniern besiegten Mapuche abgenommen worden war und nun von der
chilenischen Armee kontrolliert wurde. In knochenharter Arbeit und mit viel Mühsal
schufen sie aus dieser Wildnis einen fruchtbares, blühendes Stück Land mit in
heimischer Architektur erbauten idyllischen Höfen, Weilern und Siedlungen. Am
bekanntesten ist hier das Städtchen Frutillar am Nordufer des Sees, dessen
untere Hälfte, am See gelegen, noch ganz das adrette deutsche Siedlerbild
zeigt, so wie es vor 100 Jahren errichtet wurde, während der darüber auf dem
Hochufer liegende neuer Teil die typische langweilig-monotone
"Architektur" vieler solcher Siedlungen von Alaska bis Feuerland
zeigt.
Uns hat allerdings am meisten das Theater beeindruckt: Ein ziemlich kolossaler
Betonrundbau, in den See hineingebaut, mit eindrucksvollen Sälen, die
allerdings zum größten Teil erst in den Fundamenten fertig sind.
So hat man praktisch aus dem Foyer ein provisorisches, auch schon beeindruckend
großes Theater gebaut, in dem bereits künstlerisch hochwertige Stücke aufgeführt
und Ausstellungen abgehalten werden.
Immer, wenn mal wieder Spenden- oder Sponsorengelder fließen, wird wieder ein
Stück am Theater weitergebaut. Wenn es denn mal fertig sein wird, sicherlich
ein eindrucksvoller Bau!
Auf dem Weg durch das jetzt im Frühling blühende Land machten wir
Bekanntschaft mit dem chilenischen Straßenbau: Schlamm, Kies, Warten, und dann
wird man plötzlich höflich über einen verschlammten Wiesenstreifen an der
ganzen Dreckarbeit vorbeigeleitet und freut sich, daß die Camioneta
Allradantrieb, Stollenreifen und vor allem 35 cm Bodenfreiheit hat. (Bei uns heißt
diese Ausführung der Japan-Pickups Portugal-Variante, im Gelände ideal, aber für
deutsche Autobahnen aufgrund des hohen Schwerpunktes und der 4 Blattfedern nur
bedingt geeignet.) Seitlich der Straßé ein offensichtlich verendetes Rind,
bzw. die Reste davon, was wir allerdings erst identifizieren können, als die
darauf hockenden Geier unwillig ein Stück weggeflogen sind. Abfallbeseitigung
auf südamerikanisch, aber eigentlich eine durchaus im Kreislauf der Natur
biologisch sinnvolle Sache ( Der Kreislauf im Recycle ist der Natur schon lange
bekannt! )
Aber, nach der Kulturschau hatte Arvid noch Anderes vor. Schließlich
hatten wir ja darauf bestanden, zu wandern.
Also ging es diesmal von Norden an den Osorno heran, und dann in einer Art
Schlucht auf einer Piste, die vielleicht in grauer Vorzeit mal ein Weg war oder
in ferner Zukunft einer werden will, nordöstlich hinter dem Vulkan in das
Bergland hinauf. Die Piste führte durch kühlen Regenwald, überquerte
einige Bachläufe und wand sich dann, immer mehr der zunehmneden Felswirrnis in
der Umgebung ähnlich, nach oben in die vulkanische Lavablock- und Aschenregion.
Tatsächlich gibt es dort noch ein Café oder so was mit 2 bekloppten Kläffern,
deren langweiliges Dasein in dieser Ödnis wir wahrscheinlich für eine ganze
Woche bereicherten und das aber wohl nur im Sommer mit Besuchern,
Abenteuerwanderern oder so, rechnen kann. Ein Stück weiter oben ist dann endgültig
Sabbat mit der Befahrbarkeit, für uns unter anderm wegen zunehmender
Schneefelder und -verwehungen. Außerdem kamen wir in die Wolken und
konnten die letzten Wegspuren am Hang nicht mehr unterscheiden.
Also raus aus dem Auto, wir wollten ja wandern!
Es wurde ein Horrortrip! Der Wind pfiff, je weiter wir aus der Schlucht
auf die Hochebene hinter (= östlich) des Osorno kamen, desto wilder. Ein
eiskalter Schneeregen setzte ein, wir stapften im nassen Schnee und über
rutschigen Lavagrus, durchquerten , immer den Nordwest hinter uns heulend,
mehrere Lavatäler, erkletterten Aschewälle von mehreren 100 Metern Höhe, bis
wir endlich nach ca. 2 Stunden am südöstlichen Absturz kamen, wo wir in
das regenverhangene Tal des Lago Todos los Santos hinabblickten. Genau da unten
waren wir doch am Vortag gewesen, als wir von Süden kamen! Die Idee,
dorthin zu marschieren, wurde allerdings bei näherer Betrachtung der Umstände
verworfen, da es nach Arvids Einschätzung noch mindestens drei Stunden Abstieg
in den Lavahalden des Osorno gebraucht hätte.
Immmerhin erfuhren wir, dass unsere Route der Origan-Entdeckungsweg der Jesuiten
vor 350 Jahren war, die den Pass, den wir gegangen waren, sinnig "Paso
Desolacion", "Pass der Trostlosigkeit", genannt hatten. Bei dem immer stärker werdendem Wind, der uns von hinten die Eisnadeln in die
Kniekehlen jagte, sehr passend. Frida trauerte ihrer wasserdichten Wanderhose
nach, die sie vergessen hatte anzuziehen. So klebte ihr die dünne Trekkinghose
nutzlos an den krebsrot gefrorenen Beinen. (Wie eine Paviana...., so ihr
Eheliebster) Allerdings zeigte sich doch noch eine kleine Consolacion. Der
Wind blies ein paar Löcher in die Wolken, und plötzlich standen wir zum ersten
Mal im Leben über einem herrlichen Regenbogen, der sich unter uns im Tal
des Lago Todos Los Santos erstreckte. Ein beeinndruckender, aber nur kurzer
Moment der Schönheit! Denn kaum drehten wir uns um zum Rückmarsch, da griff
uns wieder mit bösartigem Gejaule der Eiswind an, diesmal von vorne, um noch die
letzten trocken gebliebenen Ecken in der Kleidung zu finden, was ihm mühelos
gelang. Binnen kurzem war die Gesichtshaut im pfeifenden Eisregen fast gefühllos,
sodass wir anfingen, uns gegen Erfrierungen einzumümmeln.
Arvid, der sich irgendwie verantwortlich fühlte, versprach nach der ersten
halben Stunde Rückmarsch: "Ich mach uns in der Hosteria gleich allen eine
Tassen heißen Tee", nach einer weiteren halben Stunde "zwei Tassen
Tee", dann "eine Kanne", und zum Schluß, als wir endlich, blau
und rot gefroren, auf dem Aschehang oberhalb des Autos angekommen waren
"jedem eine Kanne".
Wir waren erstmal froh, als wir das in den Wolken irgendwo in der Aschewüste
verborgene Auto wiedergefunden hatten, und noch froher über Arvids Fahrkunst,
der den im nassen Grus schlitternden Pickup problemlos den Hang hinunter, über
spitze Lavablöcke weg und durch die mittlerweile vom Regen gegenüber der
Herfahrt geschwollenen Bäche steuerte.
Die Rückfahrt wurde von den zwei Steuers nur noch zum Teil wahrgenommen. Irgendwo
gab´s ein Schild auf dem einer nicht nur vor querenden Rindviechern, sondern
vor edlen Vacas lecheras warnte, also Milchkühen,
auf deren Besonderheit er im fleischfressenden Südamerika wohl hinweisen
wollte.
Etwas zur Hebung der Laune trug allerdings bei, dass der Chronist die
mitgenommenen und geizig gehüteten Stücke kandierten Ingwers herausrückte und
- wenn auch nur als einzelne Bröckchen - an die Mitwanderer herausgab. Ingwer
ist bekanntlich gut für die innere Wärme und das CHI der chinesischen Medizin.
Noch besser für die innere Wärme war dann allerdings der heiße Tee, den
wir in der Hosteria tranken, und dann die Enchiladas - (wenn die gut
gemacht und warm sind, m.E. ein echtes Highlight der südamerikanischen Küche)
und zuletzt natürlich die große Portion Pichanga mit Vino tinto.
Chiloé:
Ginster, Geier und Pinguine
In der Hosteria trafen wir ein anderes deutsches Paar, dessen Erzählungen uns
vor Neid erblassen ließen.
Während wir in Sturm und Eis auf dem Bergrücken herumgeirrt waren, hatten die
sich die große Insel Chiloé angesehen, die durch den Nordwestwind den ganzen
Tag wolkenfrei und sonnig gewesen war. Kunststück, die Wolken hatten sich ja
alle am Andenaufstieg um uns versammelt. Jedenfalls, da es immer noch wolkig,
nieselig, depressiv ( desolacion!) war, beschlossen wir, auch nach Chiloé zu
fahren.
Zum Glück war´s noch früh, denn die Entfernungen ziehen sich hier ganz
ordentlich, und auch das andere Paar war erst spät in der Nacht zurückgekommen,
müde und hungrig, und Pichanga gab´s keine mehr. Hihi!
Also gings durch die immer stärker blühenden Ginsterfelder nach Süden, nach
Pargua, von wo aus die Fähre nach Chiloé startet. Unterwegs die für unser
Empfinden extrem monotonen Trabantensiedlungen als Schlafvorstädte: Häuschen
an Häuschen, auf Minigrundstücken, uniform, eins wie das andere. Eine Siedlung
- 400 grüne mit Satteldach, eine andere - 600 weiße mit Alu-Piltdach, dann rote
mit Walmdach, alles da, aber immer auf der Größe von nur ein bis zwei Fußballfeldern
mitten in der Landschaft und an allen vier Ecken - chilenisches
Sicherheitsdenken - bewacht von ultrahohen Flutlichtmasten.
Am Fährhafen dann regelmäßiger Fährverkehr zur Insel Chiloé, die etwa so
groß wie das Saarland sein dürfte. Eine Brücke über die Meerenge war
geplant, wurde aber erstmal abgesagt. Wer soll das bezahlen?
Die Fähren voll mit Camiones der Lachsfarmen. In den kleinen Kontrollfenstern
der Wassertanks sieht man die meist noch kleinen Fischlein schwimmen, die von
einer Zuchtanlage zur nächsten gebracht werden.
Die Insel Chiloé hat ein eigenes Flair. Die Ortschaften wirken ein wenig wie
südfranzösische Hafenorte, 100 Jahre zurück. Es gibt ein reiches Folklore-
und Musikleben, viele DVDs mit Chiloémusik und -liedern.
Und es gibt noch mehr Ginsterflächen als auf dem Festland, wahrscheinlich begünstigt
durch das relativ warme Meeresklima.
Wir fuhren an der Westküste, das heißt am Pazifik entlang, hoch über der
Steilküste, die sich über malerischen Buchten mit idyllischen einsamen Sandstränden
und vorgelagerten Klippen erhebt. Die Klippen sind wahre Vogelparadiese und
streng geschützt, gibt es dort doch viele seltene Arten von Meeresvögeln,
unter anderem ein gemeinsames Vorkommen von Humboldt-Pinguinen aus dem Norden
und Magellan-Pinguinen aus der Antarktis.
Einen der Strände haben wir auf einer kurzen Tour erwandert. Wunderschön, wenn
man erst mal unten war. Auf den Strand gelangte man nämlich nur über einen
versteckten Pfad, der oben an der Klippe endete. Runter ging´s dann nur noch
mit Hilfe eines alten Sisalseiles, das an einer recht zweifelhaften Konstruktion
irgendwo im Gebüsch befestigt war. Allerdings, keiner stürzte ab, und am
Strand unten fanden wir neben dem
angeblich essbaren und angeblich wertvollen, aber schaurig schmeckenden Seetang
der Marke "Cochayuyo"
auch die bisher größten Exemplare des Riesenrhabarbers, den wir in den letzten
Tagen schon an vielen Orten Chiles gesehen hatten. Die Blätter dieser Pflanze
werden so groß, dass ohne weiteres ein Erwachsener darunter Platz hat. Arvid
behauptet steif und fest, er habe Blätter gesehen, unter denen 2 (!!) Rinder im
Schatten gestanden hätten. Jedenfalls, die Pflanze sieht aus wie
Rhabarber, ist konstruiert wie Rhabarber, schmeckt wie Rhabarber (der
Chronist hat mehrere Stängel von dem Zeug verspeist, sowohl mit Zucker wie in
Deutschland, als auch mit Salz wie in Chile) ist aber botanisch kein Rhabarber
und angeblich gar nicht mit diesem verwandt. Da hat der große Zampano am 4. (?)
Schöpfungstag wohl zweimal das gleiche erfunden.
Wir jedenfalls hangelten uns wieder an Strick und Klippe hoch und fuhren mit der Camioneta auf einer
Sandpiste ein
paar Kilometer weiter an den Strand zu einer größeren Bucht. Dort gibt es ein paar Fischerhütten,
die Forschungs- und Bewachungsstation der Otway-Foundation, die allerdings bei
den Einheimischen einen nicht ganz geklärten Ruf hat, und ein recht nettes
Restaurant, dessen Leiterin eine in Chile verheiratete Deutsche ist. Gute
fischige Küche mit z.T. auch in Chile seltenen Gerichten.
Die Foundation und die Fischer machen sich Konkurrenz bei
Besichtigungs-Bootsfahrten zu den Felsen mit Lobos, also Seelöwen, und Pingüinos.
Wir haben natürlich die Fischer unterstützt und sind, nachdem man uns in unmöglich
riesenhafte Ganzkörpergummistiefel mit darüberliegendem Gummimantel nebst
Rettungsweste verpackt hatte, mit Hector, einem alten Kumpel von Arvid, zu
den Felsen rausgefahren.
Leider war durch den Wind der Seegang außerhalb der schützenden Klippenkette
so stark, dass unsere Schiffer, obwohl sie auf das Geld angewiesen sind, die
erweiterte Tour zu den Lobos kurz vor deren Felsen abbrachen und nach einer
halsbrecherischen Wende über die meterhohen Wogen zwischen den nadelspitzen
Klippen in ruhigere Zonen zu den Pinguinfelsen fuhren. Hier wuchs Arvid zu
voller Form auf.
Während wir froh waren, anhand des Kamera-200mm-Teles wenigstens die zwei
Pinguinarten sowie verschiedene Pelikane, Kormorane, Enten usw. zu erkennen,
wurden dieselben von Arvid mit deutschen und spanischen Namen in Untergruppen
und Spezialeinheiten klassifiziert. Haben wir gleich wieder vergessen, vor allem
die spanischen Namen, gibt´s aber alle mit Bild auf einer Spezial-Internetseite
der Hosteria Outsider.
Nach dem wilden Seegang waren einige unserer Bootsgruppe dann allerdings doch
froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.
Chiloé
Castro: Pfahlbau-Slums, hölzerne Kathedralen und
Strickwaren-Markthallen.
Weitere Teile sind Ausarbeitung (22.April 2011)
© Fotos: Dr. Franz + Frida Steuer D-88353 Kisslegg/Allgäu © Website: Arvid Puschnig, Puerto Varas, Chile, Tel. +56 (0)65 2231056