Prolog:
Wir schreiben das Jahr zweitausendfünf nach
Christus. Flurina und Annina, die beiden Madel aus der Schweiz, sind
seit Oktober 2004 mit dem Fahrrad quer durch Südamerika unterwegs, als
sie Ende Januar 2005 in der X. chilenischen Region, der Region de los
Lagos, die auch die chilenische Schweiz genannt wird, eintreffen. La
Paz, die auf über dreieinhalb tausend Meter gelegene Hauptstadt
Boliviens und Ausgangspunkt ihrer Tour, das Hochland des Altiplano,
der Norden Argentiniens, Mendoza, Santiago de Chile, Pucon und der
Vulkan Villarrica sowie die argentinische Hochburg des Wintersports, San
Carlos de Bariloche, liegen hinter ihnen. Die beiden Freundinnen,
die schon zusammen auf dem Gymnasium waren, haben ihr Studium
abgeschlossen. Flurina ist Heilpädagogin, Annina Juristin. Die
sechsmonatige Radtour unternehmen sie vor ihrem Eintritt ins Berufsleben.
Sie sollte sie eigentlich bis zur südlichsten Stadt der Welt, Ushuaya,
führen. Doch es kommt wie so oft im Leben anders...
Anninas Krankheit:
Am Südufer des Lago Llanquihue radeln
unsere beiden Heldinnen Richtung Puerto Varas. Doch Annina ist krank.
Sie hat Fieber und Kopfschmerzen, fühlt sich schwach. Paratyphus wird
man später in der Clinica Alemana diagnostizieren. Schon der Aufenthalt
in Bariloche war deshalb länger als geplant. Die beiden hatten dort
Südamerikas berühmte Bus-Schiffspassage, das Lake-Crossing über die
Anden, gebucht. Die zwischen den Seen liegenden Straßenabschnitte
legten sie auf ihren Fahrrädern zurück, wobei sie immer rechtzeitig
vor dem Auslaufen der Schiffe die jeweils nächste Ablegestelle
erreichen mussten. Noch eine Nacht am Campingplatz in Petrohue am Ufer
des Lago Todos los Santos, dann brachen sie auf, um heute den Beginn der
Carretera Austral in Puerto Montt zu erreichen. Anninas Krankheit zwingt
sie jedoch, bei einem Hostal 20 Kilometer vor Puerto Varas Halt zu
machen. Da sich Anninas Zustand auch am darauffolgenden Tag nicht
ändert, beschließen sie, ein Krankenhaus in Puerto Varas
aufzusuchen.
Hosteria Outsider, Puerto Varas
Gott sei Dank ist Anninas Krankheit doch
nicht so ernst, wie ursprünglich angenommen. Paratyphus wird von den
Ärzten festgestellt. Und Flurina erweist sich in diesen Tagen als echte
Freundin, lässt Annina nicht im Stich, zieht sogar mit Sack und
Pack zu ihr ins Krankenhaus und sucht eine neue Bleibe für die Tage
danach. Und sie hat Glück. In Arvids schöner Hosteria Outsider im
Zentrum von Puerto Varas ist ab morgen ein Zimmer frei. Hier beginnt
jetzt unsere eigentliche Geschichte vom Aufenthalt der beiden Schweizer
Madel in Puerto Varas.
Die ersten Tage in Puerto Varas
Die ersten Tage im Outsider-Hostal verbringt
Annina großteils im Bett, während Flurina die Fahrräder aus ihrer
vorigen Unterkunft holt. Arvid hat die beiden eingeladen, mit ihm am
Sonntag eine Wanderung bis zum Gletscherrand des Vulkans Osorno zu
unternehmen. Annina fühlt sich dazu aber noch zu schwach. Sie nimmt
jeden Tag Medikamente und möchte auf keinen Fall ihren Genesungsprozess
gefährden. Deshalb fahren Flurina und Arvid am Sonntag Morgen ohne sie
los. Der Nebel über dem See und dem Berg sollte sich im Laufe des Tages
auflösen, meint Arvid. Mit Arvids Camioneta geht es hinauf bis zum
Refugio La Burbuja auf 1300 Meter Höhe. Wolken und Nebel verhindern die
Sicht über den Lago Llanquihue und die Umgebung. Trotzdem steigen die
beiden in der Hoffnung, dass sich die Nebelschwaden wenigstens für
kurze Zeit einmal verziehen und so den Blick auf den Gletscher freigeben
würden, die 600 Meter bis zur Eiskuppe des Osornos auf. Nur für ein
paar kurze Augenblicke zeigt sich heute das Eis durch den Nebel. Zwar
könnte man über ein Schneefeld noch weiter den Berg hinauf gelangen,
doch ist die Schneedecke dort so hart, dass vor allem Flurina mit ihren
Schuhen kaum Halt findet. Deshalb steigen die beiden wieder zum Refugio
ab. Weiter geht es wieder mit der Camioneta über Las Cascadas bis zur
Abzweigung zum Refugio La Picada. Das Wetter scheint sich inzwischen
gebessert zu haben. Arvid schlägt vor, doch von dieser Seite zu
versuchen, etwas näher an die Eiskuppe des Osornos heran zu kommen. Die
"ärgste" Straße, über die sie jemals gefahren ist, meint
Flurina. Vor allem als Beifahrer kann man da schon ein bisschen das
Fürchten lernen. Eine blaue Camioneta quält sich vor ihnen den
Berg hinauf. Deren Insassen sind längst ausgestiegen und müssen das
Fahrzeug schieben. Sie schaffen es nicht bis zum Parkplatz am Ende der
Straße, bleiben mitten am Weg stehen. So müssen Flurina und Arvid das
letzte Stück zu Fuß zurück legen. Die anschließende Wanderung über
den Bergsattel führt sie auf eine Anhöhe, von der aus sie einen
wunderbaren Blick auf den Lago Todos los Santos und die schneebedeckten
Gipfel der Anden haben. (Fotos 1 - 2)
Auf der Überfahrt mit der Fähre nach Chiloé
kann man eigentlich immer Seelöwen und Pinguine im Meer beobachten. So
steht es in auch jedem Reiseführer. Doch heute, am 1. Februar, scheint
es wie verhext zu sein. Schönes Wetter, die Sonne scheint, aber es ist
hoher Wellengang, und kein einziges dieser Tiere lässt sich blicken.
Diesmal sind auch Annina und Kilian, der kleine Bruder Barbaras, Arvids
Bekannter, mitgekommen. Sie wollen zu den drei kleinen Islas de
Puñihuil, wo sich alljährlich um diese Jahreszeit einige hundert Paare
Magellan- und Humboldtpinguine aufhalten, um dort ihrern Nachwuchs zur
Welt zu bringen. Im Auf und Ab der Wellen schaukelt das Schiff über den
Kanal Chacao. Kilian ist schlecht, seekrank, muss sich fast übergeben.
Annina war heute vormittag noch zur Nachuntersuchung im Krankenhaus. Es
geht ihr schon bedeutend besser. Sie muss aber noch weiterhin ihre
Medikamente nehmen. Nachdem alle in Chacao wieder festen Boden unter den
Füßen haben und Kilian von Flurina eine Cola bekommen hat, kann Arvid
mit ihnen weiter fahren. Vorbei an Ancud fahren die vier zu einem
wunderschönen, menschenleeren Pazifikstrand. Es ist Zeit für ein
Picknick. Alle sind hungrig. Da schmecken die mitgebrachten Brötchen mit Käse, die
Tomaten, die Avocados, die Äpfel und Nektarinen und die Kekse besonders
gut. Flurina und Kilian toben noch eine zeitlang am Strand herum, dann
geht es weiter zum eigentlichen heutigen Ziel, zu den Pinguinen. (Fotos
3 - 8) Zusammen mit ein paar anderen
Touristen fahren sie mit einem Fischerboot hinaus zu den drei Puñihuil-Inseln.
Außer Pinguinen gibt es dort noch Pelikane, Kormorane und Nutrias.
Immer wieder hält das Boot an, damit die Leute die Tiere aus nächster Nähe
beobachten können. Es geht schon gegen Abend, als die vier die
Rückfahrt nach Puerto Varas antreten.
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Fotos (Zum Vergrößern anklicken)
1- Osorno, Flurina beim Refugio La Picada
2 - Lago Todos los Santos
3 - Kilian, Annina und Flurina am Pazifikstrand
4 - Flurina und Kilian am Strand
5 Flurina, Ausflug zu den Pinguinen
6 - Annina und Kilian, Bootsfahrt zu den Pinguininseln
7 - Pazifikstrand bei den Islas de Puñihuil
8 - Pinguine auf den Islas de Puñihuil
Wissenswertes zu den Pinguinen:
Die Islas de Puñihuil im Norden von
Chiloe sind der einzige Platz auf der Welt, an dem man zwei von den
insgesamt mehr als ein Dutzend Arten von Pinguinen gleichzeitig antrifft:
Humboldt- und Magellanpinguine. Das Verbreitungsgebiet der
Magellanpinguine Richtung Norden endet hier, während die
Humboldtpinguine hier ihre südlichste Brutstätte haben. Pinguine leben
monogam. Ein Paar bleibt das ihr ganzes Leben, manchmal über 30 Jahre
lang, zusammen. Stirbt ein Partner, so kann auch der andere nicht lange
überleben.
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